2006–2012

Kaufland-Märkte

Für den Bau von drei Kaufland-Märkten, wurde historische Bausubstanz zerstört, die hätte erhalten und integriert werden können. Dem Leipziger Stadtrat hat das weitestgehend nicht interessiert. Uns aber. So Märkte in Reudnitz, Gohlis und Lindenau.

In den letzten Jahren wurden drei neue Stadtteilzentren, deren Ankermieter “Kaufland” ist, gebaut. Zunächst war dies 2007 das Reudnitz-Center, auf dem Areal des ehemaligen Straßenbahnhofs Reudnitz, mit denkmalgeschützten Hallen und Gebäuden; 2010 das Gohlis-Center, auf dem ehemaligen Gelände der Gohliser Actien-Brauerei; und 2012 das Handelscenter Lindenauer Markt, im historischen Ortskern von Lindenau. An allen drei Bauprojekten hatte der Leipziger Stadtrat wenig bis kein Interesse. Historische Bausubstanz wurde abgerissen und zwei Sichtbeton-Gebäude errichtet.

Kaufland Lindenau (2012)

Auf dem Areal des künftigen „Handelscenter Lindenauer Markt“ zwischen Henricistraße und Kuhturmstraße standen bis 2010 einst vier Gebäude. Die Henricistraße 12 war ein schönes Gründerzeitgebäude mit Klinkersteinfassade, dass im Februar 2010 abgerissen wurde, gefolgt von den Gebäuden Lindenauer Markt 4 und 2/Kuhturmstraße 1a, hier wurden lediglich die Fassaden stehen gelassen, und ein Hinterhaus mit der Hausnummer 2a. Die drei Gebäude wurden von Mai bis Juli 2011 abgerissen. Direkt an der Kuhturmstraße Ecke Henricistraße entstand 2001 durch den Ausbau der Kuhturmstraße ein kleiner Park mit mehreren Linden, auch dieser musste weichen. Das neue Handelscenter befindet sich im Herzen von Lindenau, direkt im historischen Ortskern. 

Zu diesem Vorhaben gab es mehrere Informationsveranstaltungen, darunter ein Bürgerabend „EinKaufland Lindenauer Markt!“ im März 2010, in dem auch Vertreter der Stadt Leipzig, dem Stadtforum Leipzig und von Kaufland eingeladen waren. Zuvor hatte das Stadtforum 28 Fragen an den Stadtrat gerichtet, um sie auf diesem Abend vorzubereiten. Während den Diskussionen waren alle Stadtrats-Fraktionen sich nicht einig, ob sie dem Bau zustimmen sollen oder nicht. Davor und Danach gab es Befürworter und Gegner in den politischen Kreisen. Die FDP-Fraktion schrieb in ihrer Pressemitteilung vom April 2010, dass gegenüber dem Investor ein Vertrauenstatbestand bestünde, den Stadt und Stadtrat halten müssen. In diesem Fall: „… nun müsste aus diesem Grund das Kaufland Center an den Lindenauer Markt, ob es die Bewohner brauchen oder nicht“.

Stadtforum: Die Öffentlichkeit hatte eine sehr hohe Sensibilisierung und es war über Monate ein Dauerthema in der Presse. Der Stadtrat ist voll in die Diskussion eingestiegen. Es ist zunächst gelungen, den ersten Anlauf für eine Genehmigung per Bebauungsplan aufzuhalten. Der Beschluss wurde verschoben und im zweiten Anlauf gab es eine Abstimmung mit hauchdünner Mehrheit für das Handelscenter nach äußert kontroverser Diskussion! 

Angeregt wurde eine kleinteilige Bebauung statt eines großen Komplexes. Die Stadt Leipzig war damals auf der Suche nach Investoren, fand aber keine und gab das Vorhaben auf. Später stellte sich heraus, dass es doch Interessenten gab und gibt. Doch zu diesem Zeitpunkt gab es diese Möglichkeit nicht mehr, zumindest für den Projektentwickler. Auch die Fassadengestaltung erwies keine kleinteilige Bebauung zu, statt verschiedener Fassaden gibt es nur eine einheitliche Kaufhausfassade, die sich fast um das gesamte Areal erstreckt.

Das “Handelscenter Lindenau” nach der Fertigstellung. (2012)

Blick aus der Rabenerstraße zur Henricistraße. Eines Tages mit begrünter Fassade. (2012)

Kaufland Gohlis (2010)

Auf dem Grundstück des heutigen Stadtteilzentrums befand sich die Gohliser Actien-Brauerei, die im Jahre 1871 an der Hallischen Straße (seit 1945 Georg-Schumann-Straße) gebaut wurde und ein Jahr später ihren Betrieb aufnahm. Die Abteilungen wurden dem Produktionsablauf im Brauprozess angeordnet. Unter dem Areal befanden sich gewaltige Gewölbekeller, zum Teil doppelte mit Höhen von fast 8 Metern. Hergestellt wurde hier unter anderem das „Gohliser Pilsner“ und die „Lipsona Club Cola“, ein beliebtes Erfrischungsgetränk zu DDR-Zeiten. An der Natonekstraße befand sich ein zweistöckiges Wohnhaus mit Ausschank namens „Bräuchstüb’l“. In den 1950er Jahren waren nur noch das Brauereigebäude an der Breitenfelder Straße, ein Pförtnerhäuschen an der Georg-Schumann-Straße und der Ausschank vorhanden. Letzteres fiel 2006 zum Brandopfer. Im Jahr 1991 wurde der Betrieb eingestellt.

Für den Bau eines weiteren Kaufland-Marktes in der Messestadt wurde 2006 der Gebäudekomplex der ehemaligen Brauerei abgerissen. Im Jahr 2004 wurde eine Planung für das Gelände erstellt, deren Bauteile von der Denkmalpflege als erhaltenswert eingestuft und in die Neubauplanung integriert wurden. Ein Großteil der Fassade an der Breitenfelder Straße sollte einbezogen werden, der Abriss der Malzdarre war nicht gestattet, lediglich wurde ein Abriss der Mälzerei im nördlichen Teil genehmigt. Aber der Schein drückte, statt einem kleinen Teil wurde das komplette, unter Denkmalschutzstehende, Gebäude abgerissen und das städtische Amt für Bauordnung und Denkmalpflege sah dabei gnadenlos zu, die nicht genehmigten Bauteile zu stoppen. Es drohte jedoch keine Einsturzgefahr! Bei einem Ortstermin im Juli 2006 bestätigte dies ein Statiker und somit bestand keine Rechtsgrundlage für einen Vollabriss. Lediglich wurden das ehemalige Pförtnerhäuschen, Teile der Grundmauern und Zaunanlagen und die historischen Kellergewölbe erhalten und teilweise rekonstruiert.

Stadtforum: Hier war die Empfindung in der Öffentlichkeit schon hoch, aber der Stadtrat hatte hierbei ein zaghaftes und geringes Interesse!

Neubau mit Kaufland und Einzelhandelsflächen an der Georg-Schumann-Straße. (2012)

An der Natonekstraße mit Sichtbetonfassade. (2012)

Kaufland Reudnitz (2007)

Am 18. Mai 1872 wurde der Straßenbahnhof Reudnitz eröffnet und zugleich der Betrieb der Leipziger Pferde-Eisenbahn. Erstes am Platz war eine 65 Meter lange, dreigleisige und hölzerne Wagenhalle. Dazu kamen 3 Ställe mit Boxen für 198 Pferde. In den folgenden Jahren folgte der Ausbau von weiteren Wagenhallen und Gleisen. Im März 1897 konnte das Areal elektrifiziert werden. Später befanden sich auf dem ältesten Straßenbahnhof Deutschlands neben Wagenhallen und Freiabstellflächen eine Werkstatt, Lackiererei und Waschanlage. Die Ein- und Ausfahrten zum Betriebshof bewegten sich an der Dresdner Straße und Täubchenweg, die 1998 und 2005 zurückgebaut wurden. Letztendlich wurde am 5. Oktober 1997 der „Straßenbahnhof Reudnitz“ geschlossen.

Seit 1993 ist im Stadtteilzentrenkonzept der Stadt Leipzig ein Stadtteilzentrum auf dem Areal des Straßenbahnhofs Reudnitz geplant. Nach Schließung des Depots nach 125 Jahren Betrieb, wurde das Projekt konkreter. Als Hauptmieter konnte Kaufland gewonnen werden. Im hinteren Teil befinden sich mehrere Hallen, darunter die älteste Stahlbetonhalle der Stadt aus dem Jahre 1909, und genau diese sollte auch in das neue Stadtteilzentrum einbezogen werden. Trotz Denkmalschutz und zahlreichen Gegenstimmungen wurde bis auf die Stahlbetonhalle der komplette Straßenbahnhof zwischen September 2005 und Januar 2006 abgerissen.

Für die anderen beiden Wagenhallen wurde der Denkmalschutz aberkannt und nicht als erhaltenswert eingestuft. Das ehemalige Verwaltungsgebäude Dresdner Straße 78 bleibt erhalten, ein weiteres Gebäude Dresdner Straße 80 verlor seinen Denkmalschutzstatus. Für dieses Gebäude und die beiden Wagenhallen wurde der Abbruchantrag genehmigt. Es sollte wenigstens die sechsgleisige A-Halle (Stahlbetonhalle) integriert werden, dass hätte der Florana KG (Bauausführung) zusätzlich 500.000 € gekostet. Das Gesamtprojekt beläuft sich auf 16 Millionen €. Sie sahen es nicht ein, so viel Geld für ein Gebäude zu investieren, das später verkleidet wird und deren Decken abgehangen werden. Die erstellten Planungen von der Reudnitz Center GmbH wurden von der Florana KG überarbeitet, die die Wagenhalle A einfach weggelassen haben. Schließlich wurde Ende März 2006 ein Drittel der A-Halle zurückgebaut. Somit war zu Baubeginn des Reudnitz-Center im Frühjahr 2006 fast nichts mehr übrig, bis auf einen Rest und die ehemalige Villa an der Dresdner Straße, der Sitz der Leipziger Pferde-Eisenbahn war. 

Stadtforum: Eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit war leider sehr schwierig und der Stadtrat hatte kein spürbares Interesse! 

Im Mai 2007 wurde das Einkaufszentrum mit Kaufland als Ankermieter eröffnet.

Neben der ehemaligen Direktorenvilla ist ein ungleicher Neubau mit Einzelhandelsflächen entstanden. (2012)

Vom Täubchenweg aus. Links entstand zusätzlich ein Penny-Markt. (2012)