SEIT 2018

Pleißemühlgraben

Seit den 1990er Jahren werden die überwölbten Bereiche des Pleißemühlgrabens wieder geöffnet.

Für die Beibehaltung des historischen Verlaufs des Pleißemühlgrabens

Nach der Vergiftung mit Industrieabwässern wurde der Pleißemühlgraben in den 1950er Jahren auch hinter der Leipziger Hauptfeuerwache überwölbt. So konnte sich die Feuerwehr auf dem Flussgrundstück und auf Teilen des kriegszerstörten Naundörfchens einen großflächigen Garagenhof einrichten. Gravierende stadtgestalterische Missstände im Umfeld blieben bis heute bestehen.

Zwar ist die Flussöffnung seit 1992 als Grundsatzbeschluss des Stadtrats festgeschrieben, doch in diesem Abschnitt noch nicht planfestgestellt. Die Verwaltung hatte seit Längerem entschieden, den historischen Verlauf des Pleißemühlgrabens neben und hinter der Wache aufzugeben und den Fluss in einem neuen Bett am verkehrsreichen Goerdelerring zu führen. Bedeutende kulturhistorische Bezüge blieben dabei aus Unkenntnis oder Ignoranz unreflektiert. Erst durch massive Proteste sah sich das Amt für Stadtgrün und Gewässer (ASG) veranlasst, die interne Festlegung nicht durchzusetzen, sondern die Bürgerschaft an der Entscheidung zu beteiligen. „Ihre Meinung ist uns wichtig!“ und „Das Ergebnis ist offen“ hieß es nun plötzlich, als hätte man nie anderes signalisiert. Mit einem gut dotierten Auftrag des ASG ausgestattet, bereitete ein Moderatorenbüro die Bürgerbeteiligung vor – völlig neutral, versteht sich.

Das öffentliche Interesse an den beiden Foren am 30. November 2017 und am 7. März 2018 war erfreulich groß, allerdings kamen durch abgewürgte Debatten und bevormundete Teilnehmer keine wirklichen Dialoge zustande. Krönung dieses sperrig konzipierten Verfahrens war schließlich eine umständliche Online-Abstimmung, die viele Bürger distanzierte. Ein Realist, wer Kalkül dahinter vermutet. Trotz allem – das Ergebnis ist eindeutig, 64 Prozent votierten für die Beibehaltung des historischen Flussverlaufs.

Befremdlich die Geschichtsvergessenheit der Verwaltung, blutleer und widersprüchlich ihre Positionen und andererseits zu klar die Vorzüge der vom Förderverein Neue Ufer dargelegten Entwicklungschancen für diesen jahrzehntelang vernachlässigten Ort. Die Aufgabe des Garagenhofs der Feuerwache und die Konzentration auf den Vorplatz ermöglichen einen Qualitätssprung des gesamten Viertels ohne die Funktionen der Feuerwehr einzuschränken. Erreichbar ist so ein ruhiger Wohnhof ohne Lärm- und Schadstoffimissionen, mit neuen Wegebeziehungen, reduzierter Bodenversiegelung, deutlich mehr Grün und einer durchgängigen, gut erlebbaren Uferpromenade. Die Rückfronten der Wache werden durch einen Kragsteg sowie mit Fassaden- und Flussbettbegrünungen belebt. Die historische Naturstein-Ufermauer bleibt sichtbar und wird denkmalgerecht saniert.

Nun ist es am Leipziger Stadtrat, die Entscheidung zu treffen. Es wird sich zeigen, was den Fraktionen die vielfältigen Sachargumente und das Bürgervotum wert sind. (2018)

Die Revitalisierung des Flusses hinter der Hauptfeuerwache gibt dem Viertel eine völlig neue Perspektive, Aufnahme: Heinz-Jürgen Böhme/Richard Neumann

Tristesse pur, der Garagenhof der Hauptfeuerwache auf dem überwölbten Pleißemühlgraben, Foto: Heinz-Jürgen Böhme